BLOCKLINE - mit dem Gravelbike unterwegs im Ost-Erzgebirge - WILDHOOD store

BLOCKLINE - mit dem Gravelbike unterwegs im Ost-Erzgebirge

Als tüchtiger Familienvater ist mein Verhältnis zum Skifahren ambivalent: ich wuchs in den 80er und 90er Jahren auf und wurde selbstverständlich mit dem Skifahren sozialisiert. Erst im Erz- bzw. Riesengebirge, nach der Wende dann in den Alpen. Die Winterurlaube gehörten zum gesetzten Highlight in unserer Familien-Urlaubsplanung und diese erfüllten mich und meine Schwester stets mit Vorfreude: Vorfreude auf einen prächtig genutzten Tag in der Skischaukel: von 9:00 bis 17:00 versteht sich, teure Liftpässe mussten natürlich maximal ausgenutzt werden.

Sehnsucht Kammloipe - was machen, wenn kein Schnee mehr liegt?

Nun mittlerweile in meinen 40ern stellt sich mir oft die Frage, wie ich diese Freude meinen Kindern weitergeben kann. Die Freude ist auch bei Ihnen ungebannt, wenn ein Skiurlaub in das nähere Planungsfenster rückt. Wobei wir für einen Skiurlaub natürlich nicht mehr eine Woche ins Hochgebirge der Alpen fahren, sondern vielmehr die schneller zu erreichenden Mittelgebirge zwischen Brocken und Fichtelberg ansteuern. Hier allerdings hat der Winterurlaub in unserer global erwärmten Klimazone keine Planungssicherheit mehr, sondern bedarf einer Zitterpartie, bestehend aus Schneesicherheit+bezahlbare Unterkunft und das zwingend in dem Zeitfenster der Winterferien. Gelingt es mir, diese Faktoren deckungsgleich zu überlagern, ist ein unvergesslicher Wintermoment garantiert, von dem die ganze Familie lange zehren kann. Gelingt es mir nicht, nun ja: stehen lange Gesichter, Stornogebühren, langweilige Hallenbäder und Wanderungen auf aufgeweichten Waldwegen im Nieselregen an. Wirklich keiner hat darauf Bock.

Glücklich kann ich mich schätzen, dass ich an einem Montag morgen die Kammloipe nicht per Ski befahre sondern mit meinem Fahrrad. Das Abenteuerpaket nennt sich Blockline und findet im östlichen Erzgebirge statt, kurz vor der tschechischen Grenze. Hier wurde liebevoll ein 140km langer Rundkurs gescoutet, der sich mit der interessanten und vielfältigen Geschichte der Region befasst. Die teils ruppige Strecke richtet sich an Mountainbikes und stabile Gravelbikes und wurde strategisch günstig in 3 Loops unterteilt, die zentral in Holzhau starten und je nach Ambition an einem Tag befahrbar sind.

Die Vorfreude steigt

Wir wurden komfortabel im Waldhotel Kreuztanne untergebracht, was nicht ganz so zentral in Holzhau liegt, dafür idyllisch abgelegen am Waldrand uns die Ausblicke und Ruhe bietet, die wir suchten. Du enspannst Dich, weil Du weißt, in den kommenden 3 Tagen, von den Alltagspflichten befreit, nur Radfahren zu dürfen. Du mußt nur die Schönheit der Natur, den Duft der Wälder, das Rauschen der Bäche in Dir aufsaugen, bei vollem Bewußtsein um möglichst lange davon zehren zu können. Die Vorfreude steigt.

Wir starten auf den Loop 1 (53km-1.140hm) im neblig verhangenen Morgen. Voller Vorfreude packen wir uns dick ein, wohlwissend, dass es ab Mittag sonnig warm werden soll. Die Ketten sind geölt, die Fahrräder laufen wie ein abgestimmtes Uhrwerk. Wir rollen zum zentralen Holztor in Holzhau von wo wir uns durch die dunklen Wälder, Wiesen und entlang sprudelnder Bäche treiben lassen. Hinter Neuhermsdorf schlängeln wir uns immer entlang der tschechischen Grenze und nutzen direkt am Grenzübergang Moldava die Chance auf ein üppiges Mittagsmahl: Knödel mit Gulasch bzw. Smažený Sýr samt einer großen Kofola dürfen keinesfalls verpasst werden, wenn sich die Möglichkeit bietet. Entsprechend träge und gesättigt erklimmen wir den Kahleberg über die Schneise 30 und genießen das Panorama, was sich uns bietet. Auf der rasanten Abfahrt passieren wir den Großen und Kleinen Lugstein, bevor wir hinter Zinnwald über roten Boden entlang des Aschergrabens rollen, einem der ältesten bergmännischen Wasseranlagen im Erzgebirge, ein wahres Meisterwerk.

Grundlagenkurs Geologie

Überhaupt sind die Abfahrten und Anstiege auf den Waldwegen bisher erfreulich abwechslungsreich und wir freuen uns über die Einblicke in die Bergbaugeschichte der Region: am sichtbarsten wird sie, als wir die Altenberger Pinge über der Stadt erblicken. Hier stürzte bereits 1620 ein Großteil der Zechen für den Abbau von Zinnstein ein und hinterließen einen riesigen Schuttkrater. Weiterhin wurde jedoch Zinnstein abgebaut, was zu weiteren Abbrüchen führte. Und wo steht Altenberg aktuell? Durch die Energiewende steigende Nachfrage nach Batterien und der damit verbunde steigende Lithiumpreis auf dem Weltmarkt wird vielleicht den Lithiumabbau in Zinnwald ab 2025 wieder rentabel machen und den Bergbau in der Region erneut anlaufen lassen.

Wir passieren die Galgenteiche und setzen die Tour über Bärenfels Richtung Hermsdorf fort, wo wir durch die malerisch schönen Bergwiesen des Weißbachtals kommen. Hinter Hermsdorf genießen wir die Abfahrt zurück ins Tal nach Holzhau, wo wir entlang der Freiberger Mulde wieder die Rückfahrt zum Hotel antreten. Es dämmert bereits, als wir unsere Räder in die Garage am Hotel schieben. Zufrieden lächeln wir uns an, immerhin waren es dann doch 74km und 1.750hm, was für uns Berliner schon eine Hausnummer ist. Wir freuen uns auf ein kühles Getränk an der Bar und spannen anschließend in der Sauna aus.

Die Talsperre raubte der Gimmlitz die Unschuld

Gestärkt mit einem reichhaltigen Frühstück samt Müsli und frischen Säften gehen wir an den Start zu Loop 2 (52km-1.010hm). Die Anfahrt nach Holzhau kennen wir bereits. Richtig warm wird uns allerdings erst im Anstieg hinter Holzhau, wo wir genüsslich aber langsam Höhenmeter nach Höhenmeter in Angriff nehmen. Bei der Abfahrt ins Gimmlitztal muß es dann wohl passiert sein: ich gleite über herrlich gewalzte Schotterpisten hinab, schließe die Augen und genieße. Bis ich vom Knall meines Hinterreifens zurück in die Realität geholt werde. Ein Metallteil hat mir den Reifen samt Schlauch zerschnitten und platzen lassen. Glück im Unglück: es ist nur der Reifen futsch, die Felge war noch heil. Wir versuchen einen Ersatzschlauch einzuziehen und mit Kabelbindern zu verstärken, allerdings ohne Erfolg. Zu groß ist der Riss, es quillt immer wieder eine Blase heraus, die im Rahmen stecken bleibt. Es dauert nicht lange, bis ich realisiere, mein Fahrrad wohl bis zum nächsten Dorf schieben zu müssen. Ein Glück, dass ich die Schönheit des Flüsschens Gimmlitz jetzt schiebend genießen kann, nicht lange her, waren die Ufer von Mühlen gesäumt, die die Wasserkraft nutzten, allerdings 1970 dem Bau der Talsperre zum Opfer fielen.

Eine Stunde später haben wir in Reichenau eine Motorradwerkstatt ausfindig gemacht, die sogar Fahrradreifen im Format 650B im Lager liegen hatte. Leider so breit, dass er hinten nicht durch meinen Rahmen paßt, vorne sieht es glücklicherweise besser aus: 2.4 passt durch die Gabel und bringt meinem Fahrrad ein freches Traktor-Update, samt summenden Rollgeräuschen! Ich liebe es.

Wir setzen unsere Tour über Frauenstein fort, besichtigen die alte Burgruine und stärken uns im Bäcker mit Kuchen aus der Vitrine (da wir uns nicht trauten, den Frauensteiner Döner oder die Nudeln im Asia-Shop zu probieren). Das Wetter ist stabil, die Sonne scheint, wir fahren endlich kurz/kurz und packen Arm- und Beinlinge weg. Herrliche Schotterwege auf dem Weg nach Mulda zaubern uns ein Lächeln ins Gesicht. Immer laden uns die Pfähle und geschnitzten Tiere am Wegesrand ein, kurz innezuhalten und uns über die Geschichte des Ortes zu informieren. So erfahren wir, dass ein Großteil der Flüsse zum flößen der gefällten Bäume genutzt wurde, die wiederum zum Bau der Bergwerkstollen oder als Brennholz zur Herstellung von Glas benötigt wurden. Deshalb auch die vielen Teiche entlang der Flüsse: hierüber wurde der Wasserstand genau so reguliert, dass das Flößen möglich war.

Hinter Muldau klettern wir Richtung Blockhausen empor, wo uns die kunstvoll gesägten Fabelwesen und Tiere erwarten, die jährlich zu Pfingsten im Rahmen der Weltmeisterschaften im Kettensägenschnitzen entstehen. Blockhausen scheint ein Pilgerort für Künstler aus aller Welt zu sein. Wir sind überwältigt ob der Größe der Statuen und genießen die Ruhe auf dem Hügel, keine Kettensägen sind zu hören, nur die seichte Brise im hohen Gras.

Unsere verbleibende Strecke bis zum Hotel legen wir größtenteils auf dem stillgelegtem Bahndamm der Schmalspurbahn Mulda-Sayda zurück. Mit konstanter Steigung schlängeln wir uns über Brücken und Dämme, abseits der Straßen. Die Vorfreude steigt und wir holen nochmals Schwung, denn im Hotel wartet bereits die vorgeheizte Sauna auf unsere müden Waden.

Gravel like a pro - auf den Trails des EBM

Früher als üblich gehen wir für Loop 3 (66km - 1.240hm) an den Start, unsere Tage im Erzgebirge neigen sich leider dem Ende zu, wir checken aus und rollen die ersten Trails Richtung Mortelgrund und durchschneiden den Nebel, der noch über den Wiesen hängt. Die Ruhe in den dunklen Wäldern ist überwältigend, wir hören nur das Knistern unserer Stollenreifen auf dem losen Split. Wir lassen den Mortelgrund hinter uns und erblicken schon das Schloß Purschenstein, wie es majestetisch über Neuhausen dronht. Dieser Anblick wird uns noch eine Weile begleiten heute, immer wieder sehen wir das Schloss von nah und fern aus anderen Perspektiven. Wir klettern aus dem Talkessel empor und rollen Richtung dem Kurort Seiffen, besser bekannt für seine typische Holzkunst, wie Nußknacker und Spielzeug. Ich werde diesen Ort immer mit Weihnachten und Winter verbinden, aber die Trails rund um Seiffen sind mit die Schönsten, die wir die letzten Tage befahren durften und erinnern uns an den Erzgebirgs Bike Marathon, Deutschlands ältestem MTB Marathon.

Wir lassen die Bremsen glühen auf den Abfahrten und stärken uns ein letztes Mal in Seiffen bei Buchteln mit Vanillesoße - da werden erneut Kindheitserinnerungen bei mir geweckt, eine Buchtel hat gar nicht gereicht! Anschließend erklimmen wir den Schwartenberg und genießen das tolle Panorama im pfeifenden Ostwind. Ab hier geht es fast nur noch bergab, wir kreuzen die massive Staumauer des Rauschenbachstausees und treten die Heimfahrt über Cämmerswalde an.

Viel zu schnell flogen die Tage vorbei. In Erinnerung bleiben uns weitläufige Hügel in deren Täler sich die silbrig glänzenden Schiefer gedeckten Dächer der Dörfer kuscheln. Was noch? Natürlich steile Anstiege, dunkle duftende Wälder und Schluchten mit reißenden Flüssen.

Gott sei Dank gibt es clevere Tourismusverbände, die nicht an nostalgischen Winterbildern festhalten und in zweifelhafte Wintertechnik wie Schneekanonen, Pistenraupen und gekühlte Skihänge investieren. Sondern die Loipen für Radfahrer öffnen, die auf diesen ganzjährig Abenteuer erleben können. Wenn es mit so viel Liebe und Information wie auf der Blockline gemacht wird, freut sich zweifelsohne die ganze Familie darüber. Wir kommen gern zurück.

Alle Informationen zur Strecke findet ihr auf der informativen website der BLOCKLINE, unsere tatsächlich gefahrene Strecke findet ihr als Collection in unserem Profil bei Komoot.

Die BLOCKLINE Saison geht von Anfang Mai bis Ende Oktober - je nach Schnee- & Wetterlage. In den restlichen Monaten sind die Loipen für den Wintersport reserviert.

Unsere Reise fand mit freundlicher Unterstützung vom Tourismusverband Erzgebirge e.V. statt

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